Die Rhein-Neckar Löwen posten auf Facebook, ebenso die Städte Heidelberg und Mannheim
Die Rhein-Neckar Löwen posten auf Facebook, ebenso die Städte Heidelberg und Mannheim. Stars wie Brad Pitt und Unternehmen wie die Lufthansa twittern, BMW lässt seine Azubis im YouTube-Video rappen.
Ob Kommunen, mittelständische Unternehmen im B2B-Bereich oder Weltkonzerne – sie alle versuchen, auf den rasenden Social Web-Zug aufzuspringen. Nur wer mitmischt bei Facebook, XING oder YouTube wird noch wahrgenommen, verkauft seine Produkte oder bekommt genügend Fachkräfte-Nachwuchs. Wer nicht dabei ist, wird als altmodisch abgestempelt. Doch ist ein Engagement in den Social Media wirklich ein Muss?
Eine pauschale Antwort auf diese Frage gibt es nicht. „Wichtig ist, dass die Unternehmenskultur passt“, sagt Kai Schroko, einer der beiden Geschäftsführer von Dots United. Er und sein Geschäftspartner Jan Sorgalla beraten mit ihrer Mannheimer Internetagentur Unternehmen im Bereich Social Media und entwickeln Web-Anwendungen. Der Beratungsbedarf ist immer noch sehr hoch, auch wenn das Social Web inzwischen im Mainstream angekommen ist. Viele Unternehmen wissen eher wenig darüber, wie sie Social Media professionell und gewinnbringend einsetzen können.
Generelle Strategie wichtig
Nach einer aktuellen Studie der Bitkom, dem Bundesverband Informationswirtschaft Telekommunikation und neue Medien, nutzt fast die Hälfte aller deutschen Unternehmen bereits Social Media, weitere 15 Prozent planen es. Ob Social Media für ein Unternehmen zielführend sind, hängt jedoch in erster Linie von der generellen Strategie des Unternehmens ab. Aus lauter Panik, den Anschluss zu verpassen, verlieren viele Firmen bei der Nutzung der neuen Medien ihre Ziele und Zielgruppen aus dem Blick. Zwei Drittel definieren laut Bitkom keine Ziele und richten ohne vorherige Analyse eine Fanseite auf Facebook, einen Blog oder einen YouTube-Kanal ein.
Dank der einfachen und kostenlosen Plattformen ist das schließlich nur eine Sache von Minuten. Häufig wird vorher noch nicht einmal ernsthaft überlegt, was mit diesem zusätzlichen Kommunikationskanal eigentlich bezweckt werden soll. Möchte ich Produkte verkaufen? Möchte ich Kunden gewinnen oder Personal? Genau das ist aber das entscheidende Kriterium, wenn das Kommunikationsinstrument Social Media erfolgreich sein und ein Return on Investment erzielt werden soll. Die Folge sind verwaiste Fan-Seiten,
veraltete Blogs und unbeantwortete Kontaktanfragen. Diese ungepflegten Auftritte schaden im schlimmsten Fall dem Unternehmensimage mehr als sie nützen. Denn leider gilt der Spruch „Hauptsache dabei“ im Social Web nicht. Social Media stellen andere Anforderungen an die Unternehmenskommunikation als bisher. Als reiner Vertriebskanal funktioniert es nicht, man muss auf die Reaktionen der Community eingehen.
Exakt darum geht es der Unternehmensgruppe Pfitzenmeier, die zahlreiche Fitnessstudios in der Region betreibt. Außer auf Facebook finden die Fans ihren Wellness- und Fitness-Park auch auf YouTube, Twitter und zukünftig verstärkt auf Google+. Gelegentliche Kritik von Fans sieht Katharina Brück aus dem Marketing sogar positiv: „Um uns zu verbessern, sind wir täglich auf die Rückmeldungen unserer Mitglieder angewiesen. Da wir über Social Media im direkten Kontakt zu ihnen stehen, können wir jeden Tag zu solchen Punkten Stellung nehmen.“ Die Social Media-Präsenz diene vor allem dazu, mit den Mitgliedern eine persönlichere Verbindung aufzubauen, im Austausch zu bleiben und über Neuigkeiten zu informieren. Die Zielgruppe nutze verstärkt Social Media, was für das Unternehmen ein wichtiger Grund war, sich für diesen Kanal zu entscheiden. Belohnt wird das bereits mehrere Jahre dauernde Engagement mit stetig wachsenden Fanzahlen.
Zeit- und kostenintensiv
Selbst wenn viele Angebote im SocialWeb kostenlos sind, heißt dies nicht, dass die Pflege dieser Auftritte ohne Aufwand wäre. Ein starker Social Media-Auftritt ist genauso zeit- und kostenintensiv wie zum Beispiel die Pflege der Unternehmenshomepage. Aufgrund der Schnelllebigkeit der Inhalte muss eine Social Media-Präsenz – egal auf welcher Plattform – ständig mit neuen Inhalten bespielt werden. Soziale Online-Plattformen sind keine statischen Medien. Genau darin liegen aber der Reiz und der große Vorteil von Social Media. Man kann unkompliziert Informationen weitergeben, auch sehr kurzfristig.
Man kann Inhalte von anderen nutzen oder erhält aktuelles Wissen aus der Online-Gemeinde. Machen die Verantwortlichen sich von Anfang an klar, was das Unternehmen mit der Kommunikation über Social Media erreichen will, ermöglichen soziale Online-Netzwerke einen deutlichen Mehrwert hinsichtlich Marketing, Kundenorientierung, Service, Recruiting oder Vertrieb. Dementsprechend sollte dann Personal und Budget eingeplant werden.
Bei Pfitzenmeier betreut Social Media-Managerin Katharina Brück die Auftritte in Zusammenarbeit mit der Agentur BLiM aus Mannheim. „BLiM sind Spezialisten für Social Media-Kommunikation, sie haben unsere Strategien entworfen, aufgebaut und uns mit guten Ideen unterstützt”, so Katharina Brück.
Für die ARD entwickelte Dots United eine Online-Anwendung, die „Social TV“ möglich macht. Bei besonderen TV-Ereignissen, wie zum Beispiel einem Fußballspiel, können Zuschauer bei der Online-Liveübertragung Kommentare zum Geschehen abgeben, die direkt ins Web übertragen werden. Auch Meinungen aus Facebook und Twitter fließen in die Kommentare auf der ARD Social TV Seite ein. „Die Nutzer sagen ihre Meinung so oder so, gerade beim Fußball oder bei Sendungen wie Tatort besteht ein großes Mitteilungsbedürfnis. Mit dieser Plattform kann die ARD Diskussionen auf der eigenen Präsenz stattfinden lassen und ist selbst Zentrum des Geschehens. Das ist der große Vorteil“, erklärt Jan Sorgalla.
Vielfältig einsetzbar
Aber auch kleine Unternehmen, die vielleicht über keine eigene Marketingabteilung oder über kein großes Anzeigenbudget verfügen, können verhältnismäßig günstig ihre Produkte über Social Media-Kanäle präsentieren. Das Ehepaar Marion und Jürgen Brecht, Inhaber des Heidelberger Zuckerladens, informiert seine mehr als 4.000 Fans seit rund zwei Jahren auf Facebook über Oster-Schokolade, Aktionen oder einfach witzige Videos.
Die Kunden hinterlassen dort begeisterte Empfehlungen. Wer Waren hat, die sich gut über Bilder darstellen lassen, für den eignet sich auch das noch junge Netzwerk Pinterest. Hier werden Fotos nach Themen geordnet und unter den Nutzern geteilt. Bilder zu Kochen und Backen, Design oder Sport finden hier engagierte Anhänger.
Für Dienstleister lohnt es sich dagegen, in den zahlreichen Ratgeber-Foren mitzumischen und sich so einen Ruf als Experte aufzubauen. Das Ganze könnte ein Unternehmen sogar zu einem eigenen Blog ausbauen. John Deere beispielsweise bietet seinen Kunden auf der amerikanischen Ausgabeseite von „machine-finder“ einen Blog mit Neuigkeiten und veröffentlicht Traktorenbilder auf Pinterest.
Für lokale Geschäfte oder Gastronomiebetriebe sind sogenannte “location-based services“ interessant. Mit Ortungsfunktionen wie Foursquare oder Google local können Nutzer sich per GPS und Smartphone online als Gäste einloggen und so ihrer Community zeigen, wo sie sich gerade befinden. Wenn es ihnen dort gut gefällt, hinterlassen sie vielleicht noch eine positive Bewertung und empfehlen das Geschäft oder die Gaststätte den Online-Kontakten weiter. Der Heidelberger
Zuckerladen ist ebenfalls auf Foursquare und TripAdvisor zu finden. In den USA ist dieses Prinzip bereits so ausgereift, dass eingeloggte Nutzer vor Ort Vergünstigungen erhalten. In Deutschland gab es vereinzelte Versuche von großen Ketten wie Starbucks.
Zuhören ist wichtig
Was einige Firmen nicht beachten: Auch wenn sie selbst nicht aktiv sind, im Netz wird trotzdem über sie gesprochen. Bewertungsportale, auf denen User Empfehlungen abgeben und sich austauschen, gibt es inzwischen für fast alles. Ein regelmäßiges Social Media-Monitoring, also beobachten, was über das eigene Unternehmen geschrieben wird, lohnt sich deshalb immer. Bisher steht dies laut einer Bitkom-Studie jedoch nur bei zehn Prozent der Unternehmen auf der Agenda.
Monitoring funktioniert zum Beispiel schon mit einfachen Google alerts oder mit speziellen Tools, die auch positive oder negative Tendenzen erkennen. Kai Schroko sieht darin einen Trend: „Viele Unternehmen möchten zunehmend mehr und genauer wissen, was über sie gesagt wird. Für einige Kunden erstellen wir regelmäßige Reportings.“
Auch für B2B interessant
Prinzipiell haben es Unternehmen, die mit Endverbrauchern zu tun haben, sehr viel leichter, sich im Social Web darzustellen. Aber auch für B2B-Unternehmen ergeben sich interessante Möglichkeiten. Man muss nicht immer selbst eine Seite oder ein ganzes Forum aufbauen. Es gibt bereits zahlreiche fachbezogene Foren und Blogs oder auch thematische Gruppen auf XING, in denen man als kleines oder mittleres Unternehmen mitmischen kann. Hat eine Firma in einem bestimmten Bereich eine herausragende Kompetenz, kann sie sich als Experte im Netz einen gewissen Ruf schaffen, damit Sichtbarkeit im Social Web beweisen und sogar Kunden gewinnen. Positiver Nebeneffekt: Mit der Zeit knüpft man so ein großes Netzwerk.
Dots United nutzt diese Kanäle schon lange und profitiert vom Gemeinschaftswissen. Unter Programmierern ist eine Präsenz im „Social Coding“-Netzwerk GitHub bereits zum Einstellungskriterium geworden. Natürlich muss im Vorfeld mit den agierenden Mitarbeitern geklärt werden, welches Wissen der Community preisgegeben wird und welches unter die Betriebsgeheimnisse fällt.
Generell muss jedes im SocialWeb aktive Unternehmen für seine Mitarbeiter Regeln aufstellen, damit klar ist, was gewünscht ist und was nicht. Meistens heißen diese Richtlinien „Social Media Guidelines“ und enthalten mindestens Handlungsempfehlungen, teilweise aber auch verbindliche dienstliche Vorschriften. Da sich die Mitarbeiter in sozialen Online-Netzwerken in der Öffentlichkeit bewegen, sollte der Arbeitgeber deutlich sagen, welches Verhalten von ihnen als Unternehmensvertreter – denn das sind Mitarbeiter im Netz genauso wie im realen Geschehen – erwartet wird. So hat Südzucker für seine Belegschaft ein Merkblatt zusammengestellt, in dem die wichtigsten Regeln enthalten sind. Die Südzucker Gruppe bewegt sich nicht nur extern in den Social Media, auch das Intranet enthält mit einem Azubi-Blog Social Media-Komponenten.
Nachwuchsgewinnung
Nicht zuletzt sind Social Media ein beliebtes Instrument, um Nachwuchs und Bewerber auf das eigene Unternehmen aufmerksam zu machen. Auf kaum einem anderen Kanal hat ein Arbeitgeber die Chance, sich so sympathisch und menschlich zu zeigen. Auf der Südzucker Karriere-Seite auf Facebook Kommen zum Beispiel auch Azubis und Praktikanten zu Wort.
Die Zeugnisübergabe mit Foto ist genauso wichtig wie das internationale Fußballturnier unter den Mitarbeitern. Freie Praktikumsplätze und Infos zu den Ausbildungsberufen postet Christiane Senglaub aus der Personalabteilung regelmäßig. Dr. Norbert Kailich, Leiter Human Resources der Südzucker Gruppe, hat klare Ziele: „Unsere Strategie ist die Präsenz und die interaktive Kommunikation in einschlägigen sozialen Medien, um als authentischer und offener Arbeitgeber wahrgenommen zu werden. Im Übrigen versuchen wir auch, unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als Botschafter in den SocialMedia zu aktivieren.“ Von der Facebook-Seite kommen Fans mit einem Klick direkt zum Arbeitgeberbewertungsportal Kununu. Mutig, mag so mancher denken, doch Südzucker braucht sich nicht zu verstecken: „Bei Kununu erreichen wir auf einer Skala bis 5 bei Mitarbeitern, Bewerbern und Azubis Durchschnittswerte im Bereich von 4,0 bis 5,0. Auf meinpraktikum.de wurde Südzucker mit 4,5 von 5 Punkten bewertet. Wir sind offen für Kritik und möchten den Interessenten einen unkomplizierten und ehrlichen Blick hinter die Kulissen ermöglichen“, so Kailich. Es könne zwar nicht ausgeschlossen werden, dass ihnen unfaire Kommentare begegnen, die erwarte er nach den gemachten Erfahrungen aber eher nicht.
Personalgewinnung, Marketing oder Kundenbindung, ob und wie Social Media einzusetzen sind, muss jedes Unternehmen individuell entscheiden. Fakt ist, dass Social Media in Zukunft weiterhin eine Rolle spielen werden. Das sieht auch Kai Schroko so: „Manchmal merkt man gar nicht mehr, ob das jetzt Social Media ist oder nicht, weil man es einfach schon so gewohnt ist.“ Genauso sieht das Dr. Norbert Kailich: „Wir glauben nicht, dass wir es uns aus Gründen des Wettbewerbs um gute und qualifizierte Mitarbeiter erlauben können, auf die Social Media-Aktivitäten zu verzichten.“
Social Media-Checkliste
Diese Fragen sollten vor dem Einstieg in dieWelt der Social Media beantwortet sein:
- Was sind Ihre Unternehmensziele? Wie lassen sie sich auf Social Media übertragen und welche Plattform eignet sich dafür?
- Wer kümmert sich dauerhaft um die Social Media-Kanäle? Wie wird mit Rückmeldungen, Anfragen und Kritik aus der Community umgegangen?
- Welches Bild soll Ihr Unternehmen in den Social Media Kanälen wiedergeben?
- Welche Regeln gelten für die Mitarbeiter, wenn sie Social Media beruflich nutzen?
- Soll alles selbst gemacht werden oder lohnt es sich vielleicht, auch einen professionellen externen Dienstleister zu beauftragen?
- Haben Sie einen Krisenfahrplan? Wenn ja, funktioniert er auch für Social Media-Krisenfälle, wenn es auf wenige Stunden ankommt?
- Wie gut kennen Sie selbst sich aus? Kennen Sie die rechtlichen Risiken? Reicht Ihnen Fachliteratur – die es inzwischen reichlich gibt – oder holen Sie sich lieber einen Experten ins Haus?
Text: Nora Dreier, IHK Rhein-Neckar
Der gesamte Artikel ist hier als PDF aufrufbar.
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